Für all diejenigen, die noch mehr über die beiden verrückten Dämoninnen aus Demon’s Diary 1 in Erfahrung bringen möchten (und natürlich auch alle anderen) gibt es hier nun eine weitere Folge. Auf vielfachen Wunsch hin diesmal mit Szenenwechsel. Auf jeden Fall ist Chaos garantiert. Sarkasmus auch.
Feierabend
Der verdiente Feierabend war längst eingeleitet.
Am besten ging dies für gewöhnlich im ‚Kaffeekeller‘: Ein Etablissement, dessen mehr als dürftige Beleuchtung, klappriges Mobiliar, zwielichtige Kundschaft und ständig missgelaunter Thekenservice die Hauptkomponenten für ein exklusives After-Work-Ambiente ausmachten. Ranzige Gemütlichkeit. Die freudige Erwartung, den Tag in einem wohlverdienten Koffeinrausch abklingen zu lassen, tat dabei ihr Übriges.
Keine Ahnung, wie groß der Laden eigentlich war. War es doch stets zu dunkel, um die genauen Ausmaße des Raums zu erfassen, und führte uns doch unser Weg ohnehin jedes Mal direkt an die Bar.
So auch dieses Mal.
Ich hatte meinen Arbeitsplatz in der Chefetage infolge diverser, mir weder erfüllend noch dringlich erscheinender Aufgaben genervt verlassen. Zudem war der Chef sowieso gerade unterwegs. Mia hingegen hatte einige anstrengende Stunden in den Seelengruben hinter sich und war außerdem erkältet. Nach dem dritten dubiosen Cola-Phenol-Mix, den uns Kaflachx, der Barkeeper, mit den Worten „Einmal den Tag wegbrennen – bittesehr!“ ausgehändigt hatte, stellte sich nun endlich Entspannung ein.
„Ihr seid ganz schön früh heute“, grummelte er in Vorbereitung von Drink Nummer vier. Ich schenkte ihm nur einen müden Beschissener-Verwaltungsjob-Blick. Mehr Rechtfertigung bedurfte der vorgezogene Feierabend nicht.
„Der eine Aufseher in Kreis acht meinte doch tatsächlich, ich sei ein Sicherheitsrisiko“, schniefte dagegen Mia.
„Wie? Das ist ihm jetzt erst aufgefallen?“
Mia zog Chaos und Verwüstung förmlich an. Eine gute Voraussetzung, um es in der Hölle in eine leitende Position zu bringen. Zum Beispiel zur Obersten Seelenzuteilerin.
„Wegen der Erkältung!“, konterte sie eingeschnappt. „Und der vielen brennbaren Substanzen in Kreis a…tschiii!“ Ein flammender Nieser, der den vorderen Teil der Theke in Brand setzte, ersparte ihr eine nähere Erläuterung des just erwähnten Zusammenhangs.
Kaflachx gab ein genervtes Brummen von sich. Eine frisch gezapfte Cola musste als spontanes Löschmittel herhalten.
„Ach verdammt!“ Mia schnäuzte sich ausgiebig und unterdrückte eine weitere Niesattacke. Das Gerotze beobachtend umklammerte ich bereits besorgt meinen noch halbvollen Cocktail.
„Du hast nicht zufällig ein Hausmittel dafür, Kaf?“
Natürlich hatte er das. Kaflachx kannte Hausmittel gegen alle Dämonenleiden, die man sich vorstellen konnte. Die meisten waren auf Koffeinbasis und unterschieden sich somit kaum von den übrigen Drinks, die im Kaffeekeller serviert wurden. Allein aus diesem Grund halfen Kaflachx‘ Elixiere fast immer.
„Den nimmst du am besten dreimal täglich“, knurrte er nach erfolgter Ersteinnahme. „Die Wirkung lässt sonst recht fix wieder nach.“
„Aber gerne doch!“ Mia grinste erleichtert und gleichermaßen beschwingt. Die Medizin wirkte offenbar so gut, wie sie schmeckte.
„Na dann, auf den Feierabend!“, prostete ich ihr zu.
Jener hätte so schön werden können.
Dann klingelte ihr Handy. Sie warf einen Blick auf das Display.
„Anmêlek? Was will der denn?“
Anmêlek arbeitete wie ich in der Verwaltung. Abteilung Diesseitskommunikation. Nichts, womit wir uns im Regelfall auseinandersetzen mussten.
Mia beschloss entsprechend, des Kontaktversuch zu ignorieren und lieber für Koffeinnachschub zu sorgen.
„Noch zwei doppelte Espresso für uns, Kaflachx!“
Ein bestätigendes Brummen und der weißhaarige, dreihörnige Dämon wandte sich der Espressomaschine zu. Das verzerrte Schrillen eines altersschwachen Telefons ließ ihn in seiner Routine jedoch regelrecht aufschrecken. Vermutlich war auch einfach seit Dekaden niemand mehr auf die Idee gekommen, im Kaffeekeller anzurufen. Mit verstörtem Blick kramte er das verklebte und angestaubte Gerät zwischen einer antiquarischen Strohhalmsammlung und leeren Colasirupkanistern hervor.
„Ja?“, raunte er in den Hörer, nur um Mia diesen kurz darauf mit einem verwirrten „Für dich…“ in die Hand zu drücken. Die Verwirrung sprang sogleich auf sie über.
Nach wiederholtem „Häh?!?“, „Was??“ und „Wieso?“ schloss Mia das Gespräch mit einem resignierten „Na schön, verdammt!“ ab. Sie stöhnte, stürzte den Espresso hinunter und erhob sich von ihrem Barhocker.
„Was ist?“, unterbrach ich ihren jähen Aufbruch. „Was wollte er denn?“
„Ich hab von irgendso‘nem Diesseitstrottel einen Beschwörungsruf bekommen.“
„Was? Sicher?“
Beschwörungsrufe an Dämonen waren nicht selten. Oft genug kamen schrullige Diesseitsbewohner mit Hang zu Allmachtsphantasien auf die Idee, einen von uns für ihre unbedeutenden Fragen oder Dienste einzuspannen.
Aber mich irritierte etwas anderes. War es doch mehr als unwahrscheinlich, dass ausgerechnet eine von uns eine solche Anfrage erhielt. Denn der Protagonist des Beschwörungsrituals musste den Namen des Dämons aussprechen, den er zu belästigen gedachte. Und in dieser Hinsicht galten wir Zwei unter den Sterblichen als weitgehend unbekannt.
„Du hast doch nicht bei deinem letzten Diesseitstrip deinen Namen rumposaunt?“, hakte ich vorsichtig nach.
„Ach Quatsch! Für wie blöd hältst du mich?“
„So wie bei dem Spuk in dem Mädcheninternat neulich…“
„Bei dem Gekreische hat das doch kein Mensch verstanden.“
„Und dieser Exorzist letzte Woche?“
„Der dürfte wohl kaum in der Lage gewesen sein, das noch rum zu erzählen.“
Ein ungutes Gefühl kroch in mir hoch.
„Wer weiß, ob ich dann nicht auch…“
Weiter kam ich nicht. Der erneut losschrillende Apparat stand noch immer auf der Theke. Kaflachx ignorierte das Getöse diesmal in der vorausschauenenden Sicherheit nicht der avisierte Gesprächspartner zu sein.
Mein ungutes Gefühl transformierte sich derweil zu einer handfesten Befürchtung. Ich griff nach dem schmierigen Hörer und hielt ihn tonlos an mein Ohr.
„Wusstä iech ja, dass iech euch beidä dort erreichä!“, tönte Anmêlek erfreut vom anderen Ende der Leitung.
„Du gibst offenbar nicht auf“, jammerte ich nur ob der Penetranz des kleinen Dreckskerls. „Und was ist es? Doch nicht etwa auch ein Beschwörungsruf?“
„Doch doch, habä gesehän, Bäschwörung iest von euch beidä.“
„Was? Wer ist denn so bescheuert, sich gleich zwei Dämonen ins Haus zu holen?“
Dies war in der Tat doppelt irritierend. Vor allem, wenn man die Risiken bedenkt.
„Ja, iest abär. Mia, Cäy – so es hier stäht“, bestätigte Anmêlek nochmals mit Nachdruck. Ich seufzte.
„Na gut, na gut, ich geh ja schon.“
„Viel Spaß und bies morgän in Büro!“
„Du mich auch, Anmêlek.“
Ich legte auf und sah Mia gequält an. Beschwörungsrufe, so wusste ich von Kollegen, waren meistens vor allem eins: lästig. In den seltensten Fällen gelang es einem, noch eine Seele dabei abzugreifen. Dennoch war es unsere dämonische Pflicht, sie anzunehmen. Immer. Und direkt.
Neben der Theke hatte Mia bereits ein Dreieck auf den kaum sichtbaren Boden gezeichnet. Die Koordinaten hatte sie fein säuberlich an den Spitzen eingetragen. Anerkennend zog ich die Brauen hoch.
„Wahnsinn – dafür, dass du das noch nie gemacht hast!“
„Es gibt ne App hierfür, schau!“
Ich trat zu ihr in das Dreieck.
„Ernsthaft?“
Stolz präsentierte sie mir den praktischen Hack auf ihrem Smartphone. Tatsächlich. Schritt für Schritt-Anleitung, inklusive Formelgenerator. Man musste diese nicht mal selbst aufsagen. Ein Klick und die passende magische Reiseformel schallte aus dem Gerät.
Forsetzung folgt…
C. Holister (c) 2017